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Redebeitrag & Fotos: Gedenken an Ernst Thälmann im Prenzlauer Berg

Gedenken an Ernst Thälmann im Prenzlauer Berg

Am Samstag, den 22.08.2021 wurde im Prenzlauer Berg am Ehrenmal an Ernst Thälmann erinnert. Ernst Thälmann war von 1925 bis zu seiner Verhaftung 1933 Vorsitzender Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und wurde vor 77 Jahren am 18. August 1944 im KZ Buchenwald auf direkten Befehl von Adolf Hitler ermordet. Wir beteiligten uns an dem Gedenken mit einem Redebeitrag. Im folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag und ein paar Fotos.

Redebeitrag der North-East Antifascists [NEA]:

Wir sind heute hier, um Ernst Thälmann zu gedenken. Vor 77 Jahren, ein Dreivierteljahr vor Kriegsende wurde er im KZ Buchenwald von den Nazis ermordet, auf direkten Befehl Adolf Hitlers. Die Nazis behaupteten daraufhin, er sei bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Wir wissen, dass das nicht stimmt, die genauen Umstände und das genaue Todesdatum sind aber bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Zuvor verbrachte er 11 Jahre im Gefängnis und im Zuchthaus. Am 3. März 1933, kurz nach dem Reichstagsbrand wurde er, wie auch viele andere Kommunist*innen, ohne Rechtsgrundlage von den deutschen Faschisten verhaftet – deren Aufstieg er stets bekämpft hatte, wenn auch leider erfolglos. Das müssen wir stets voranstellen, auch um jenen bürgerlichen Kräften entgegenzutreten, die ihn als aktiven Kommunisten diffamieren und in der Vergangenheit etwa immer wieder forderten, dieses Denkmal hier abzureißen.

Aber es würde Thälmann auch nicht gerecht werden, ihn nur als Opfer des Nationalsozialismus zu würdigen und ihn nicht als Politiker mit allen Ambivalenzen ernst zu nehmen. Seine Politisierung begann bereits als Zehnjähriger, als er im Hamburger Hafen arbeitete und den dortigen Streik der Hafenarbeiter 1896/97 miterlebte – ein Erlebnis, das ihn sehr prägte, wie er später sagte. 1903 wurde er Mitglied der SPD und gehörte dort zum linken Flügel. Nach der Kriegsteilnahme im ersten Weltkrieg und seiner Fahnenflucht zum Kriegsende baute er den Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat mit auf und wechselte zur USPD, deren linker Flügel sich 1920 mit der KPD vereinigte. Bekannt wurde er im Folgenden vor allem als Organisator des Hamburger Aufstands im Oktober 1923, der eigentlich ein reichsweiter Aufstand werden sollte. Doch die Unterstützung aus anderen Landesteilen blieb aus, der Aufstand scheiterte.

Dies war das Ende der „revolutionären Phase“ der KPD und auch Thälmann, der ab 1925 bis zu ihrem Verbot Vorsitzender der Partei war, nahm im Folgenden eine andere Rolle ein. Er trieb – auch das muss gesagt werden – die Stalinisierung der Partei entscheidend voran. Die KPD, die zuvor eine gewisse inhaltliche Eigenständigkeit besaß und mehrere Kurswechsel durchmachte, richtete sich sich nun klar nach dem Kurs der Sowjetunion und der Komintern. Parteiinterne Kritiker*innen wie die vorherige Vorsitzende Ruth Fischer wurden ausgeschlossen, ein Absetzungsverfahren gegenüber Thälmann wegen eines parteiinternen Korruptionsskandals scheiterte an der Intervention Stalins. Für den Kampf gegen die zunehmend stärker werdenden Nazis bedeutete dies zweierlei: Zum einen wurde die Idee der „Einheitsfront von unten“ verfolgt – man versuchte die Arbeiter an der Basis der SPD zu erreichen, während gleichzeitig gegen deren Führung agitiert wurde. Zum anderen wurde die SPD dabei aber immer mehr zum zentralen Fokus der Agitation. Sie wurden als Sozialfaschisten bezeichnet und als mindestens gleichwertige Gefahr wie die NSDAP betrachtet. Auch wenn Kritik an der reformistischen, verbürgerlichten und auch selbst antikommunistischen SPD-Führung natürlich berechtigt war, so zeugte dies auch davon, dass die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging, bis zum Schluss stark unterschätzt wurde. Dass diese unter anderem die Arbeiterbewegung physisch komplett zerschlagen, ihre Protagonisten ins KZ sperren und ermorden würde, das erschien vielen nicht vorstellbar. Gegenmaßnahmen wie ein koordinierter Generalstreik mit den SPD-nahen freien Gewerkschaften, der vielleicht noch etwas hätte bewirken können, konnten so nicht zustande kommen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wenn wir von Fehlern sprechen, möchten wir das nicht mit Respektlosigkeit oder einem Herausstreichen aus der eigenen Geschichte verwechselt wissen. Das ist ebenso wenig hilfreich, wie eine unkritische Glorifizierung aller politischen Taten und eine direkte Anwendung historischer Einschätzungen auf eine veränderte Situation. Aber wir müssen aus der Geschichte Schlüsse ziehen, wenn wir den faschistischen Tendenzen der Gegenwart erfolgreicher entgegentreten wollen.

Was wir auch nicht vorschlagen wollen, ist die Übernahme des Volksfrontkonzeptes im Sinne einer Zusammenarbeit mit den Führungen bürgerlicher Parteien, die an Armut, Krieg und Abschiebungen Schuld sind, Hauptsache es geht gegen rechts. Vielmehr müssen wir dafür Sorge tragen, dass die radikale Linke wieder eine Kraft wird, die als Alternative wahrgenommen wird und deren Basis sich wieder verbreitert. Differenzen innerhalb dieser Linken können und müssen diskutiert werden, dürfen aber nicht dazu führen, dass wir aktionsunfähig werden und uns in Grabenkämpfen verlieren, während kapitalistische und rechte Kräfte immer mehr an Boden gewinnen. Dazu ist die Lage schlicht zu ernst. Wir müssen uns auf einer klassenkämpferischen Basis zusammenfinden und uns nicht an Identitäten etwa als Kommunist*innen oder Anarchist*innen aufhängen. Das bedeutet Arbeitskämpfe und soziale Bewegungen zu unterstützen und für eine linke Hegemonie in diesen zu kämpfen, anstatt sie aufzugeben. Das gilt etwa für den Bereich Antimilitarismus, eigentlich ein linkes Kernthema, oder auch die Klimabewegung, die in großen Teilen bürgerlich und sozial ignorant ist. Aber wenn wir wissen, dass eine Rettung des Klimas im Kapitalismus nicht möglich ist, können wir uns auch bei diesem Thema nicht einfach zurückziehen und uns in einer Blase einigeln, in der es keine ideologischen Widersprüche gibt. Natürlich ist es für eine kleine Gruppe wie uns häufig nicht möglich, alle Themen abzudecken. Aber gerade deshalb brauchen wir den solidarischen Bezug aufeinander, um uns insgesamt zu verbreitern.

Wir müssen uns aber auch in die lokalen Niederungen des antifaschistischen Kampfes begeben, um etwa den Naziaufmarsch im Viertel zu blockieren, dafür zu sorgen, dass der AfD ihre Versammlungsräume abgesagt werden oder einfach Genoss*innen und Menschen, die ins Feindbild der Faschist*innen passen, zu unterstützen, gerade in Gegenden, in denen es keine starke linke Szene gibt. Das bedeutet manchmal auch, mit der Basis der lokalen Linkspartei zusammenzuarbeiten, auch wenn wir ihre Rolle im Berliner Senat kritisieren. Die beiden Aspekte, revolutionäre Agitation und Klassenkampf sowie konkreter Antifaschismus gehören zusammen, wenn wir verhindern wollen, dass bei den nächsten Krisen der Rechtsruck weitergeht. Ein aktuelles Beispiel wäre der Umgang mit der Corona-Politik. Es ist richtig und wichtig, die rechtsoffene und in Teilen faschistische „Querdenker“-Bewegung aktiv zu bekämpfen. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht den Fehler begehen, die Abwälzung der Krisenkosten auf die arbeitende Bevölkerung nicht mehr zu kritisieren. Nur wenn eine linke Perspektive sichtbar wird, können wir den Faschisten wirksam den Boden entziehen.

Und nicht zuletzt ist auch die internationale Solidarität ein Faktor, aus dem wir Kraft schöpfen und von den Genoss*innen lernen können, die überall auf der Welt gegen rechte und reaktionäre Regierungen, gegen Rassismus, Patriarchat und all die Zumutungen kämpfen.

Lasst uns kämpfen, im Gedenken an die Toten, im Gedenken an Ernst Thälmann.

Und lasst uns zusammen für all jene kämpfen, die am Leben sind. Jene die unterdrückt oder ausgebeutet werden.

In diesem Sinne:
Es bleibt ERNST!
Zusammen kämpfen – gegen Kapital und Faschismus!
Für die Schaffung einer starken, linken Einheitsfront von unten!

 


 

Fotos:

Foto-Quelle: www.dkp-berlin.info

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