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Der Tag der deutschen Einheit als Tag des Geschichtsrevisionismus

„Geschichte wird von den Siegern geschrieben“, lautet ein geflügeltes Wort. Der Tag der deutschen Einheit ist ein gutes Beispiel dafür. Der Tag des Sieges des BRD-Kapitalismus gegen die DDR, des Sieges gegen den Aufbruch vieler Aktiver, den DDR-Sozialismus demokratisch zu reformieren und etwas Eigenes, jenseits des Kapitalismus zu schaffen. Die BRD-Regierung, Konservative, Rechte sowie selbsternannte „Bürgerrechtler*innen“, sind nimmer müde, die Geschichtslüge von der friedlichen Revolution in der DDR und der vermeintlich allgemein herbeigewünschten Waren- und Profitgesellschaft zu erzählen. Als hätte sich die komplette ehemalige DDR-Gesellschaft nichts sehnlicher gewünscht als den Neoliberalismus und eine plötzliche Konkurrenz aller Menschen herbeigejubelt mit dem Ruf „Wir sind das Volk“. Jede*r, der*die einigermaßen klar denken kann, weiß, dass dieser Ausruf eine Selbstermächtigung der Protestierenden war. CDU und Springerpresse schafften es infolge der Einverleibung der DDR, mit ihrer Einheitstümelei und ihren Hetzkampagnen gegen Nicht-Deutsche, die in der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl gipfelten, rassistische „Volkspolitik“ zu machen. Pogrome gegen Nicht-Deutsche oder als nicht zugehörig Wahrgenommene und Tote waren die Folge.
Seit einigen Jahren wird dieser Einheitstümelei mit Gehirnwäsche eins drauf gesetzt: die Extremismustheorie. Hierbei handelt es sich um die wissenschaftlich nicht haltbare Behauptung, die Gesellschaft hätte eine demokratische Mitte und sei an ihren erfundenen Rändern von links und rechts bedroht. Als kämen Rassismus, Chauvinismus, Sexismus usw. nicht aus dieser Gesellschaft, sondern aus einem diffusen „Außerhalb“. Damit einher geht die perfide Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus – in Deutschland in Form von Nationalsozialismus und Staatssozialismus der deutschen demokratischen Republik. Der neoliberalen Wirtschaftstheorie zufolge hätte u.a. die geplante Wirtschaft in beiden totalitären Systemen dazu geführt, dass es zu Gewalt und Repression kommt. Kurz gesagt, dass sich die Leute automatisch die Köpfe einschlagen. In der freien Marktwirtschaft als positiven Gegenentwurf konzentrieren sich vermeintlich alle Beteiligten auf den Handel und wollen von daher alle Konsument*innen sein. So wiederum herrsche Friede, Freude, Eierkuchen: Kapitalismus als das Ende der Geschichte. Das ist natürlich selbsterklärend Blödsinn. Die BRD-Geschichtspolitik möchte endlich einen Schlussstrich ziehen und auch dem Naziopa gedenken: Er sei ja schließlich nur verführt worden. Und dies sei dann genauso schlimm, wie eine Tätigkeit als DDR-Grenzsoldat, der vielleicht Mauertote zu verantworten hatte. Das nicht sagbare soll wieder salonfähig werden. Keine weiteren Entschädigungsdebatten. Man möchte selber Opfer sein, sich der Geschichte und Verantwortung entledigen und sich nicht damit beschäftigen, dass viele Nazitäter*innen am Aufbau der sogenannten Vorbilddemokratie BRD ( #westliche Werte) beteiligt waren. Letzten Endes geht es darum, die Bevölkerung so blöd wie möglich als stramme politisch desinteressierte Konsument*innen zu halten, und zur Not wieder auf den Faschismus als kleineres Übel zurückgreifen zu können. Über andere emanzipatorische Gesellschaftsmodelle soll nicht nachgedacht werden.
Ein Beispiel für widerlichsten Geschichtsrevisionismus und der Verhöhnung der Opfer des Holocausts am Schluss: die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Peter Nowak schreibt in der Konkret 9/2018, wie die Bundesregierung es möglich macht, der Täter*innen des Nationalsozialismus eben dort zu gedenken. Der rechtsradikale und rassistische Nolteanhänger Jörg Baberowski koordiniert für die Gedenkstätte einen „Forschungsverbund zur Erfassung und Analyse der politischen Repression in SBZ und DDR“. Im Juli gab es das erste Arbeitstreffen. Das Bundesministerium finanziert mit 5,3 Millionen Euro. Die Datenbank soll alle Kommunismus-Opfer erfassen, die zwischen 1945 bis 1989 inhaftiert, deportiert oder ermordet wurden. Der Opferbegriff ist damit soweit gefasst, dass automatisch alle NS-Täter*innen logischerweise unterschiedslos miterfasst werden. Noch absurder: die Gedenkstätte setzt sich die israelische Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem zum Vorbild. Die Mörder*innen von Jüd*innen werden aufs Widerlichste mit ihren Opfern gleichgesetzt.
Die Leitung der Gedenkstätte in Person von Hubertus Knabe und seines Stellvertreterer fliegt zur Zeit wegen jahrelanger sexueller Übergriffigkeit gegenüber Kolleginnen und anderer sexistischer Ausfälle raus. Beide sind beurlaubt. Dass Nazis von heute bald in der Gedenkstätte ganz offiziell früheren Nazis und Kriegsverbrechern gedenken können, stieß niemand auf, obwohl vor dem „Sexskandal“ bekannt, trotz Bundesfinanzierung. Diese Entwicklung zeigt, in welche Richtung es zukünftig gedenkpolitisch gehen könnte. Zumal, da im Deutschen Bundestag mit der AfD eine faschistische und geschichtsrevisionistische Partei sitzt, welche den historischen Diskurs in Politik und Gesellschaft konsequent weiter nach rechts verschiebt, gegen Andersdenkende hetzt und versucht, linke Strukturen mundtot zu machen.
Aus diesen Gründen gilt es, geschichtsrevisionistischen Strukturen und Diskursen entgegen zu treten. Durch historische Aufklärung, eine offene Diskussionskultur und nicht zuletzt durch entschiedenen Protest gegen die politische Instrumentalisierung und Verbreitung relativierender Behauptungen in Bezug auf den Nationalsozialismus!

North-East Antifascists [NEA] 2018

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