Neonazis huldigen „Märtyrer“ Wessel
Von Theo Schneider
26.02.2018 – Braune Aktivitäten zum Todestag von Horst Wessel blieben in diesem Jahr überschaubar, reichten diesmal aber sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Am Freitag jährte sich der Todestag des Friedrichshainer SA-Führers Horst Wessel zum 88. Mal. Wie in der Vergangenheit auch nutzen Neonazis das Datum, um dem im Nationalsozialismus zum „Märtyrer der Bewegung“ stilisierten Pfarrerssohn zu gedenken. Die Verwaltung des St. Nikolai Friedhofs im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, auf dem Wessel begraben liegt, ließ das Grab 2013 einebnen, um rechten Pilgern den Wallfahrtsort zu nehmen. (bnr.de berichtete) Nichtsdestotrotz fanden sich auch in diesem Jahr an der Stelle wieder Hinterlassenschaften von Neonazis.
Der stellvertretende Berliner Landesvorsitzende und Bundesorganisationsleiter der NPD Sebastian Schmidtke postete am Freitag auf Instagram kommentarlos ein Foto, das ein Bild Wessels neben drei Kerzen und Blumen am ehemaligen Grab zeigt. Scheinbar hat er die Gegenstände dort abgelegt. Im Laufe des Tages ergänzten unter anderem auch Anhänger der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ mit ihren Devotionalien die Stelle. Im Gegensatz zu den Vorjahren wurden für Berlin jedoch keine darüberhinausgehenden Aktivitäten bekannt.
Sprühschablone mit Konterfei Wessels
Anders verhält es sich mit Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Anhänger des „Syndikats 52“, der Nachfolgeorganisation der „Kameradschaft Aachener Land“ (bnr.de berichtete) waren in Heinsberg an mehreren Kriegsgräberstätten und legten dort Bildnisse von Wessel nieder. In Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern wurden nach Angaben der Polizei Neubrandenburg bereits am Mittwoch Schmierereien mit Wessel-Bezug im Ort festgestellt. An einer Grundstücksmauer, einer Hausfassade sowie an einem Schaltkasten und einer Litfaßsäule wurde mithilfe einer Schablone das Konterfei von Wessel angebracht, dazu die Parole „Horst Wessel unvergessen“.
Die größte Aktion für die NS-Symbolfigur fand dieses Jahr allerdings in Finnland statt, in Vantaa, einem Ort bei Helsinki. Rund zwölf Neonazis der „Nordischen Widerstandsbewegung“ versammelten sich auf dem dortigen deutschen Soldatenfriedhof Helsinki-Honkanummi zu einem kleinen Fackelmarsch. Sie entrollten dabei auch ein Transparent mit SA-Logo, auf dem Wessel zum „Märtyer“ und „Held“ verklärt wurde.
Wichtige Kultfigur im NS-Regime
Wessels „Heldentat“ bestand darin, zum für die Nationalsozialisten richtigen Zeitpunkt vom richtigen Gegner erschossen worden zu sein. Horst Wessel war in Friedrichshain als SA-Sturmführer aktiv und wurde mit 22 Jahren am 14. Januar 1930 von Albrecht Höhler, der Verbindungen zur KPD hatte, angeschossen. Trotz Notoperation starb er am 23. Februar an einer Blutvergiftung. Die Nationalsozialisten nutzten seinen Tod, um ihn propagandistisch auszuschlachten und Wessel als „Märtyrer“ zu glorifizieren. Damit wurde er im NS-Regime zu einer der wichtigsten Kultfiguren: Plätze, Straßen und sogar der Berliner Bezirk Friedrichshain wurden nach ihm (um-)benannt, das „Horst-Wessel-Lied“ avancierte nach der Machtübernahme sogar zur quasi-offiziellen Nationalhymne. Wessel gilt bis heute als einer der wichtigsten Vorbilder in der Neonazi-Szene.
Quelle: www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/neonazis-huldigen-m-rtyrer-wessel