Politisch aktiv 2018 – Solidarisch gegen Überwachung und Repression
Podium:
Sa, 13.01.2018 | 17:30 Uhr | Jockel Biergarten (Ratiborstraße 14C / Kreuzberg)
Mehr Infos: solidarisch2018.noblogs.org
Material: [Plakat] | [Facebook-Event]
Referent*innen:
– Sven Adam (Verteidiger im Linksunten-Indymedia-Verfahren)
– Anna Biselli (netzpolitik.org)
– Martina Renner (MdB, Partei Die Linke)
– Civaka Azad (Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.)
– Benjamin Derin (Wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Bereichen Kriminologie und Strafprozessrecht)
2017 war kein gutes Jahr. Rechtsruck wohin das Auge schaut: AfD in den Parlamenten, Tote im Mittelmeer und eine Politik, die immer mehr auf den Ausbau des Polizeistaates setzt. In regelrechter Akkordarbeit wurden 2017 mehrere Gesetze auf den Weg gebracht, die polizeiliche Willkür begünstigen sowie Demonstrationsfreiheit und Privatsphäre aktiv angreifen. Die Repression gegen G20-Gegner*innen, das Verbot des linken Newsportals »Indymedia Linksunten« oder die Ankündigung, dass der Staat künftig Messenger wie »Signal« auslesen wird (neues TKÜ-Gesetz), haben bei der politischen Linken mehr Fragezeichen als Antworten hinterlassen. Vor dem Hintergrund, dass Überwachung oft mit möglichen islamistischen Angriffen gerechtfertigt wird, macht auch das Symboleverbot kurdischer Organisationen, wie der YPG/YPJ sprachlos. Sind sie es doch, die den IS am aktivsten bekämpfen. Um auf all das eine Antwort formulieren zu können, bedarf es als erstes einer Verbildlichung und Entzerrung des Repressions- Kneuels, in das die Linke aktuell verheddert ist. Am 13. Januar laden wir darum zu einem Podium in Berlin, um einen Überblick über die verschiedenen Entwicklungen und Gesetzesverschärfungen zu geben.
Polizeiwillkür – den Weg ebnen
Im Frühjahr 2017 erfolgte eine Verschärfung des »Widerstands-Paragrafen« §113. Im »neuen« §114 StGB wird ein neues Delikt mit dem Namen »Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte« geschaffen. Die Formulierung klingt zwar nach einer schweren Tat, Jurist*innen verstehen hierunter jedoch alle gewaltsamen Handlungen gegen Beamte; wobei es zu Schmerzen oder Verletzungen nicht kommen muss. Verkürzt lässt es sich auf die einfache Formel herunterbrechen: Eine Rangelei mit Polizist*innen, eine Sitzblockade bei der die Beteiligten nicht aufstehen, sondern weggetragen werden müssen, können rund drei Monate Knast bedeuten. Denn die Beurteilung was Widerstand ist obliegt vollkommen dem Ermessen den eingesetzten Beamt*innen und der anschließend urteilenden Justiz. Eine Einladung an Polizist*innen also, sich per gezielter Gegenvorwürfe vor Strafverfolgung zu schützen. Mit jeder Verschiebung von Kompetenzen, weg von Justiz oder Zivilgesellschaft, hin zur Polizei, gehen zunehmende Möglichkeiten zu Kriminalisierung und Repression einher. Diese Kompetenzverschiebung wurde zuletzt wieder deutlich: Seit neuestem werden Zeug*innen verpflichtet, auf Ladung bei der Polizei zu erscheinen und Aussagen zu tätigen, was bisher nur bei Staatsanwaltschaften und Gerichten galt.
Überwachung – digitalisieren
Um die Kompetenzen und Kapazitäten von Polizeien, Geheimdiensten und sonstigen sogenannten Sicherheitsbehörden zu erweitern, erließ die schwarz-rote Große Koalition in den letzten vier Jahren viele Gesetze. Sie führte die Vorratsdatenspeicherung wieder ein, die Telekommunikationsanbieter zur massenhaften, anlasslosen Speicherung von Metadaten verpflichtet. Dazu beschloss sie ein sogenanntes Anti-Terror-Paket, mit dem anonyme SIM-Karten nun der Vergangenheit angehören. Die Entschlüsselungsbehörde ZITiS soll daran forschen, verschlüsselte Kommunikation zu brechen. Zuletzt weitete sie noch den Staatstrojanereinsatz massiv auch auf Alltagskriminalität aus, Ermittler*innen dürfen so digitale Endgeräte infizieren und erhalten so Zugriff auf die Kommunikation direkt an der Quelle – noch bevor Verschlüsselung greifen kann. Die Digitalisierung erleichtert es hier den Repressionsbehörden, die Schlinge aus Überwachung, Kontrolle und Bestrafung immer enger zu ziehen. So brüstete sich die Polizei nach dem G20-Gipfel in Hamburg damit, in über 32.000 Videos mit Hilfe biometrischer Gesichtserkennung, Beweise für Strafverfahren gegen »Straftäter*innen« gewinnen zu wollen. Hierfür gewinnen Behörden neben der massiven, automatisierten Auswertung von Kommunikationsdaten und Bewegungsprofilen über mobile Endgeräte (z. B. Smartphones) auch Daten von Facebook, Instragram und Youtube, die nach Demonstrationen von Algorithmen ausgewertet werden.
Gesellschaftliche Konflike – verpolizeilichen
Vor dem Hintergrund einer stetigen Ausweitung des Strafrechts, durch immer neue Straftatbestände, dem reflexhaften Ruf nach härteren Strafen und Überwachung, sowie der fortschreitenden Entgrenzung der polizeilichen Ermittlungsbefugnisse, nimmt auch die Rolle der Polizei in der Gesellschaft und ihren sozialen Konflikten zu. Der Zugriff der Polizei wächst – die Kontrolle dieses Zugriffs hingegen nicht. Im Gegenteil wird es zunehmend schwerer, sich zur Wehr zu setzen. Dafür sind die Auseinandersetzungen um Polizeigewalt beim G20-Gipfel in Hamburg exemplarisch: Die Polizei kann davon ausgehen, dass ihr brutales Vorgehen mangels Kennzeichnungspflicht und einer Aufarbeitung nur durch interne Polizeistellen weitgehend folgenlos bleiben wird, während sie gleichzeitig auf Rückendeckung durch drakonische, den nagelneuen § 114 StGB ausreizende Urteile gegen Aktivist*innen zählen darf und hierzu eine entsprechend inszenierte und groß angelegte Öffentlichkeitsfahndung ausruft. Flächendeckende Telekommunikationsüberwachung trifft nicht in erster Linie »Radikale«, »Kriminelle« und »Terrorist*innen«, sondern alle Teile der Gesellschaft. Auch Gesetzesverschärfungen wie z.B. im Fall des §114 StGB stellen nicht nur einen massiven Angriff auf die politische Opposition und das Demonstrationsrecht in der BRD dar, sondern richten sich auch gegen gesellschaftliche Gruppen, die auf Grund ihrer finanziellen oder sozialen Situation in Konflikt mit der Polizei geraten. Wenn wir Antworten auf den Polizeistaat entwickeln wollen, dann muss über einzelne Repressionsfälle hinaus, die gesellschaftliche Auseinandersetzung um Überwachung in den Mittelpunkt gestellt werden. Es liegt also an uns ein gemeinsames Handeln und politische Forderungen zu entwickeln, die dem gerecht werden.
Austausch und Beratung:
Die Facetten der Repression sind enorm unterschiedlich und werfen auch für Jede*n selbst verschiedenste Fragen auf. Um auf dieses Bedürfnis nach Information und Austausch gut eingehen zu können, wird es nach dem Podium und der Publikumsdiskussion die Möglichkeit geben sich persönlich zu informieren. An verschiedenen Tischen könnt ihr Anwält*innen und „Expert*innen“ im Detail zu Repressionsthemen befragen. Hiermit wollen wir allen die Möglichkeit geben ihre Fragen zu stellen, die sich dies u.a. bei einem großen Saalveranstaltung nicht trauen oder dafür andere Gründe haben.
Infotische:
Verschiedenste Initiativen werden im Festsaal Kreuzberg mit Infoständen vertreten sein, so dass ihr euch umfassend informieren könnt.
Vobereitungskreis:
– Initaitive »Nein zum Polizeistaat«
– North-East Antifascists [NEA]
– Seminar für angewandte Unsicherheit (SaU)
– Delfina e.V. (Verein für Versammlungsfreiheit und Wahrung der Grundrechte)
Unterstützer*innen der Veranstaltung:
– CILIP – Bürgerrechte & Polizei
– Rote Hilfe e.V. Berlin
– United we stand
– Ban Racial Profiling
– Civaka Azad (Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.) – Kampagne »Êdî Bese«
– Entstaion jetzt (Aktionsbündnis gegen den Ausbau der Videoüberwachung im öffentlichen Raum)
– Berliner Soligruppe für die Gefangenen Gewerkschaft / Bundesweite Organisation – GG/BO
– Feministische Kampagne »Gemeinsam kämpfen!«
– KOP (Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt)
– Kein Freund Kein Helfer – Antifaschistisches Infoportal mit Schwerpunkt Polizeigewalt und -verfehlungen