
Winken mit verdächtiger Armsteife: AfD-Politiker Björn Höcke am 18. Mai auf einer AfD-Kundgebung gegen den Bau einer Moschee in Erfurt. Foto: AP Photo/Jens Meyer
Von wegen Fremdkörper
Neonazis und Rassisten als Teil des Systems: DKP diskutierte in Berlin mit Aktivisten unter dem Motto »Wo steht der Feind?« über antifaschistischen Kampf heute
Von Claudia Wangerin
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) weiß, wie schwer es ist, in Talkshows eingeladen zu werden, wenn einen das Establishment wirklich durch die Bank ablehnt. Kein Vergleich mit der »Alternative für Deutschland« (AfD), die erst 2013 gegründet wurde, sich über mangelnde Medienpräsenz nie beschweren konnte und bereits in acht Landtagen sitzt. Die prozentual unbedeutende DKP könnte nun im großen Sammelsurium aus etablierten Parteien und linken Grüppchen aufgehen, die alle über den kometenhaften Aufstieg der AfD entsetzt sind, um endlich Teil von etwas Größerem zu sein. So einfach will sie es sich aber nicht machen. Am Samstag hatte die DKP in Berlin befreundete Aktivisten zu einer Konferenz »zum antifaschistischen Kampf heute« unter dem Motto »Wo steht der Feind?« eingeladen.
Jürgen Lloyd, der die Antifakommission der DKP leitet, erklärte vor rund 60 Zuhörern den Unterschied zwischen falschem Bewusstsein und handfesten Interessen. Teile der arbeitenden Bevölkerung, die »bereits verhetzt den Rechten hinterherlaufen«, sind demnach noch nicht »der Feind«. Lloyd sprach von einem »irregeleiteten Bewusstsein«, das die Schwierigkeit erhöhe, sie zu erreichen. Der Faschismus sei aber die offene, terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals, zitierte er Dimitroff. Nur diese Klasse könne ein Interesse an ihm haben. Bündnisse Linker mit etablierten Parteien würden dagegen Neonazis und Rechtspopulisten als Fremdkörper und die Gesellschaft als ansonsten gut und solidarisch darstellen. Das widerspreche der Alltagserfahrung der Menschen.
jW-Autor und DKP-Mitglied Daniel Bratanovic stellte in seinem Vortrag über die AfD klar, dass diese – bisher – keine faschistische Partei sei (Siehe jW-Themaseite vom 19. Mai), wies aber auf die Dynamik der Entwicklung und die von manchen AfD-Politikern bereits überschrittene Schwelle zur faschistischen Agitation hin. »Wo bleibt eigentlich in deiner Analyse die CSU?« monierte in der Publikumsdiskussion ein DKP-Genosse aus Bayern. In dem als »Ordnungszelle« bekannten Bundesland spiele die AfD »kaum eine Rolle«. Die dortige Regierungspartei CSU habe aber ein Integrationsgesetz vorgelegt, das deren Vorstellungen sehr nahe komme. Bratanovic stimmte dem zu. In größerem Maße als die CDU sei die CSU auch eine »Bierzelt- und Bewegungspartei«, ergänzte er.
Auch zu Lloyds Ausführungen über den Klassenstandpunkt gab es einen Einwand aus dem Publikum: Lohnabhängige in Deutschland könnten doch ein Interesse haben, die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt geringzuhalten, indem sie rigide Abschottung gegen Flüchtlinge und Migranten befürworteten. Lloyd entgegnete, das eigentliche Problem sei aber das System, das sie zwinge, um Erwerbsarbeit zu konkurrieren.
Am Nachmittag saßen neben Sven George (DKP) und Bratanovic als Moderator drei Aktivisten anderer Gruppen auf dem Podium: Marcus Staiger von der Radikalen Linken Berlin (RLB), der auch als Musikjournalist bekannt ist, ein junger Vertreter der Berliner »North-East Antifascists« und Markus Tervooren von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die – anders als die DKP – den Aufruf des breiten Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus« mit Teilen der SPD und der Grünen unterzeichnet hat. Tervooren sprach von »Verzweiflung, Trostlosigkeit, Angst«. Er glaube aber, sagte er mit Blick auf das Bündnis, »dass wir vielleicht in diesem Prozess lernen können«. Staiger betonte dagegen, Linke müssten in ihrer Argumentation zwei Dinge trennen, die mit der Regierungszeit von »Rot-Grün« in Verbindung gebracht und von Rechten als Werk »linksversiffter 68er« dargestellt werden: Gesellschaftliche Fortschritte einerseits seien damals mit extremen sozialen Einschnitten andererseits »erkauft« worden. Eine schlechte Lohnentwicklung werde ausgerechnet damit legitimiert, dass auch Frauen zum Familieneinkommen beitragen.