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Rückblick und Einschätzung zur rassistischen Mobilisierungen in Buch von Oktober 2014 bis Februar 2015

uebersicht_buchRückblick und Einschätzung zur rassistischen Mobilisierungen in Buch von Oktober 2014 bis Februar 2015

Als am 20. Oktober 2014 bekannt gegeben wurde, dass in Buch ein Containerdorf für Geflüchtete gebaut werden soll, sah die lokale NPD die Gunst der Stunde: Die asylfeindliche Stimmung in der Bevölkerung sollte der Neonaziszene endlich Aufwind geben. Die Neonazis um Christian Schmidt hatten in den vergangenen Monaten den bis dahin brach liegenden Pankower NPD-Verband reaktiviert und vor allem junge Bucher Neonazis rekrutiert.

Bereits für den 30. Oktober organisierten Bucher Anwohner_innen am Kaufland eine Kundgebung, bei der Unterschriften gegen die Containerunterkunft gesammelt werden sollten. Es fanden sich etwa 100 Menschen ein, darunter mehr als ein dutzend Neonazis, die vor Ort Journalisten bedrohten. Zwei Tage später, am 1. November 2014, folgte eine von der Pankower NPD organisierte Demonstration. Sie fand im Anschluss an eine NPD-Kundgebung in Weißensee statt, bei der Schmidt verkündete, dass der Nationalsozialismus nicht tot sei, sondern in ihnen – den Bucher Neonazis – weiterlebe. Genau diese Neonazis stellten die Demonstrationsstruktur – ergänzt durch Neonazis aus Marzahn und aus Brandenburg. So hielt eine Neuruppiner Neonazi-Aktivistin eine Rede, in der sie die deutsche Kriegsschuld am 2. Weltkrieg leugnete. Auch der Bucher Neonazi Fabian Knop las eine Rede mehr schlecht als recht vom Zettel ab und forderte anschließend dazu auf, Unterschriften gegen die Container zu leisten.

Vereinzelte Bürger_innen aktiv in der „Bürgerbewegung“
Die Unterschriftenlisten waren vorher von Bucher Anwohner_innen erstellt worden, die sich mehrmals am Kaufland Buch versammelten, um die Listen zu füllen. Am 6. November riefen die Initiator_innen der Facebook-Seite „Kein Asylanten-Containerdorf in Buch“ zu einer Lichterkette in Buch auf. Die Bucher_innen, die zu der Aktion aufgerufen hatten und augenscheinlich keine Ahnung hatten, dass so etwas angemeldet werden muss, wurden schnell von Schmidt in seine Pläne integriert. Fortan hatten sie als „Mutti AG“ einen Platz bei den wöchentlich stattfindenden Lichterketten, die ebenfalls von der lokalen NPD übernommen wurden. Schmidt trat an fast allen Lichterketten-Terminen (6., 13., 20.,27. November und 11. Dezember) als Anmelder und Redner auf. Die lokale NPD und NPDler aus Berlin und Brandenburg stellten auch dort die Ordner_innen, Redner_innen und brachten die Anlage mit. Die Öffentlichkeitsarbeit übernahm ein ehemaliger Aktivist der Anti-Moschee-Bewegung aus Heinersdorf und ein Rentner aus Buch, die jeweils Fotos und Videos von den Veranstaltungen anfertigten.

Wendepunkt der Proteste
Am 17. November folgte die zweite Anti-Flüchtlings-Demonstration. Neben den wöchentlich stattfindenden Donnerstags-Lichterketten versuchte die Pankower NPD also alle zwei Wochen Montags eine Demonstration durchzuführen. Es nahmen wieder etwa 200 Menschen teil. Es sprach unter anderem ein Lichtenberger NPD-Aktivist, der im Dezember damit begann ähnliche Anti-Flüchtlings-Demonstrationen in Hohenschönhausen zu organisieren. Als Christian Schmidt, der auch Anmelder dieser Demonstration war, gegen 22:00 Uhr den Lautstärke-Anweisungen der Polizei nicht mehr folge leistete, wurde er festgenommen und die Demonstration beendet.
Auch am 4. Dezember musste die rassistische Mobilisierung einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Da die lokale Zivilgesellschaft vorsorglich für jeden Montag im Dezember eigene Demonstrationen angemeldet hatte, musste die NPD-Montagsdemonstration im Dezember auf den Donnerstag ausweichen. Sie sollte, anders als in den Vorwochen, in Karow starten und dann nach Buch laufen. Eine antifaschistische Blockade unter der Zufahrtsbrücke nach Buch verzögerte dieses Vorhaben um mehrere Stunden. Von den etwa 100 Neonazis und Rassist_innen aus dem Bezirk, aber auch aus Marzahn und Köpenick, waren, als die Polizei die Blockade schließlich geräumt hatte, nur noch wenige dutzend übrig. Leise und schlecht gelaunt zogen sie nach Buch.
An den wöchentlichen Donnerstags-Lichterketten nahmen im November konstant etwa 50 Personen teil. Im Dezember ließ das Interesse sichtbar nach. Am 11. Dezember waren nur noch 20 Personen anwesend. Schmidt hielt die Kundgebung in einer Seitenstraße ab und klagte über Repressalien von Polizei und Staatsschutz. Die Weihnachtsaktion in Karow am 18. Dezember brachte ebenfalls nur 20 bis 30 Personen auf die Straße, obwohl neben der NPD Pankow und der „Mutti AG“ auch Neuruppiner Neonazis der NS-Kampagne „Tag der deutschen Zukunft“ einen Stand aufbauten. Mit dieser Aktion verabschiedete sich die Bucher Anti-Flüchtlings-Bürgerbewegung in die Winterpause, aus der sie (bis jetzt) nicht wieder erschien.

Ende der „Bürgerbewegung“ – die NPD ist jetzt unter sich
Scheinbar nutzte die Pankower NPD die Wochen ohne Aktionen, um zu beschließen in Buch den Deckmantel des „Bürgerprotests“ ab Januar 2015 wegzulassen und ab nun nur noch unter dem Label NPD zu agieren. Trotz der Ankündigung die nächste „Bürgerdemonstration“ am Wochenende nach dem Baubeginn zu veranstalten, geschah dies nicht. Stattdessen kam es zu Beschädigungen am Bauzaun und zu Bedrohungen gegen die eingesetzten Securities. So griff ein Neonazi den Wachschutz mit Pfefferspray an und wurde dann festgenommen. Die Pankower NPD bedrohte zu dieser Zeit im Wochentakt Angehörige der Zivilgesellschaft und der Bezirkspolitik. Nicht nur die Kundgebung der Bucher Flüchtlingsunterstützer_innen am 12. Januar 2015 wurde von etwa 40 Neonazis belagert, ebenso die Bürgersprechstunden einer Bezirksstadträtin und des Pankower Bürgermeisters am 14. und am 21. Januar wurden von Neonazis besucht und bedroht – sie nannten dies den Auftakt ihrer Jahreskampagne „Feind erkannt – Feind benannt“. Am Freitag dem 30. Januar 2015 folgte eine NPD-Kundgebung vor dem Getränke-Hoffmann in der Karower Chaussee – dem Ort an dem früher die Lichterketten stattgefunden hatten – an der etwa 30 Neonazis teilnahmen.
Auch die rechtspopulistische Kleinstpartei „Pro Deutschland“ versuchte an diesem Punkt Kapital aus der Anti-Flüchtlings-Stimmung im Kiez zu ziehen und führte am 7. Februar 2015 an selber Stelle eine „Bürgerfragestunde“ durch. Getarnt als bezirkliche Veranstaltung handelte es sich letztendlich um eine Kundgebung von „Pro Deutschland“, die vom Lichtenberger Bezirksverband organisiert wurde. Mehrere Pankower NPDler versuchten diese am Schluss zu stören.

Antirassistische Interventionen
Nachdem es anfangs in Buch nur vereinzelt Proteste gegen die rassistische Mobilisierung gab, wurde ab Mitte November 2014 koordiniert gegen die NPD-Aktionen vorgegangen. Durch die Anmeldung eigener Demonstrationen verloren die Bucher Rassist_innen ihren angestammten Demonstrationstermin am Montag. Die Lichterkette am Donnerstag wurde mehrfach lautstark durch Gegenproteste gestört. Als die NPD mit ihrer Demonstration auf den Donnerstag auszuweichen versuchte, wurde diese blockiert. All diese Aktionen haben dafür gesorgt, dass der anfängliche Schwung der Anti-Flüchtlings-Mobilisierung verloren ging. Den Rassist_innen und Neonazis wurde der Eindruck vermittelt, dass sie mit Gegenwehr zu rechnen haben, wenn sie gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen.

Auch wenn weiterhin zu bemerken ist, dass es eine Stimmung in Buch gibt, die die Ankunft der Flüchtlinge hier nicht einfach machen wird, ist doch festzuhalten, dass die Pankower NPD wieder auf ihren eigenen Kreis zurückgeworfen wurde. Die etwa 200 Personen, die anfangs auf den NPD-Demonstrationen mitliefen, sind derzeit nicht mehr mobilisierbar.
Es bleibt abzuwarten, ob Schmidt und die Pankower NPD bei späteren Anlässen neu Anlauf nehmen. Zu befürchten ist, dass die Neonazis ähnlich gewalttätig gegenüber den ankommenden Flüchtlingen auftreten, wie sie es in den letzten Monaten gegenüber Antifaschist_innen, Zivilgesellschaft und schon hier lebenden Migrant_innen getan haben. Die mehrmaligen Beschädigungen am Bauzaun und Auseinandersetzungen mit dem Sicherheitspersonal deuten dies bereits jetzt an.

www.gemeinsam-gegen-rassismus.net

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