Interview mit der [NEA] im Berliner Anstoß der DKP
Der aktuellen Ausgabe (3/2021) des Berliner Anstoß, der Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) Berlin, haben wir ein Interview zum Thema Gedenkarbeit und der Notwendigkeit sich als Antifa mit den Coronaleugner*innen auseinanderzusetzen gegeben. Die vollständige Ausgabe könnt ihr euch hier runterladen.
Interview:
Über antifaschistisches Gedenken im Bezirk und darüber, warum die Antifa sich mit »Coronaleugnern« beschäftigt.
Ein Gespräch mit Nico Steinert von der Antifa Nord-Ost
»Herrschaftskritik hört man oft, Systemkritik jedoch nie«
Wie kam es zur Gründung der Antifa Nord-Ost, warum dieser Name?
Los ging es im Sommer 2007, in der Zeit, als der Staat Prozesse führte gegen Demonstranten, die in Heiligendamm gegen das G8-Treffen, protestiert hatten. Damals haben sich Leute aus verschiedenen Strukturen zusammengefunden, um sozusagen klassische Anti-Nazi-Arbeit zu machen. Und zwar im Bezirk Pankow, sprich im Nordosten Berlins.
Was verstehst du unter »klassischer Anti-Nazi-Arbeit«?
Das geht von Recherchearbeit über Naziumtriebe im Bezirk – damals die NPD in Pankow: wer sind die Köpfe, wie läuft die Finanzierung der Rechten -, bis zu Demos, Kundgebungen etc. Wir haben auf rassistische Übergriffe gegen Migranten, aber auch auf Attacken gegen linke Strukturen reagiert.
Damals war gerade die Zeit der sogenannten Anti-Moschee-Proteste, bei denen die Nazis versucht haben, Otto Normalverbraucher und auch die CDU für ihre Rassenwahn-Politik zu vereinnahmen und gegen Muslime in Stellung zu bringen.
Hattet Ihr mit euren Aktionen Erfolg?
Ja, wir konnten die Nazis in ihrer Aktionsfähigkeit deutlich einschränken, wir haben sie öffentlich bekannt gemacht, so dass sie bei Übergriffen erkannt wurden. Nazis besudelten damals das Ehrenmal für die Rote Armee in Buch am Tag der Befreiung. Das können sie jetzt nicht mehr, am 8. Mai wird es von uns und weiteren Antifaschisten beschützt.
Diese Aktionen haben euch im Bezirk bekannter gemacht. Konntet Ihr dadurch neue Mitglieder gewinnen?
Viele junge Leute, ganze Jugendgruppen haben sich für unsere Arbeit interessiert und dann mitgemacht. Wir genießen einen guten Ruf bei Bündnispartnern wie der VVN-BdA und linken Strukturen wie SDAJ und DKP sowie der Partei Die Linke. Gemeinsam mit ihnen leisten wir antifaschistische Gedenkarbeit hauptsächlich im Bezirk, aber auch darüber hinaus. Seit 2014 z.B. organisieren wir den antifaschistischen-internationalistischen Block auf der jährlichen Liebknecht-Luxemburg-Demonstration und sitzen im Vorbereitungskomitee der Demonstration. Mit der VVN und der DKP erinnern wir jährlich am 22. April am Denkmal in Weißensee an die Befreiung des Ortsteils durch die Rote Armee.
Das wirkt alles wie eine vom Kalender diktierte Praxis. Reagiert Ihr auch auf aktuelle Ereignisse?
Im Moment halten uns die Corona-Leugner auf Trab. Der Protest gegen die Anti-Corona-Maßnahmen ist ja ruck-zuck von Rechten aller Couleur übernommen worden.
Warum ist euch das Auftreten gegen die Corona-Leugner so wichtig. Lasst Ihr euch da nicht die Agenda diktieren?
Es ist deshalb wichtig, weil das Ganze einen zutiefst esoterischen Hintergrund hat, gepaart mit völkischem Nationalismus und starkem antisemitischen Einschlag. Da wird auch schon mal der gelbe Judenstern der Nazis genutzt. Rechte werden von Corona-Leugnern hofiert, ihnen wird eine Plattform geboten, man denke da an die Aktion auf der Reichstagstreppe. Und das in einer Zeit, in der eine rechte Chatgruppe nach der anderen bei Bundeswehr und Polizei auftaucht. Der Zusammenhang ist eindeutig. Ein gutes Beispiel ist Attila Hildmann, erst Fernsehkoch, dann populärer Corona-Leugner und später Einpeitscher gegen die »jüdische Weltverschwörung«. Wenn wir das »Wehret den Anfängen« ernstnehmen, dann müssen wir dagegen aktiv sein. Hildmann verbreitet ein zutiefst sozialdarwinistisches Weltbild und legt sich vermeintlich mit den Herrschenden an. Herrschaftskritik hört man von den Coronaleugnern oft, Systemkritik jedoch nie. Da liegt der Hase im Pfeffer. Unsere Agenda lassen wir uns dadurch auf keinen Fall von den Rechten diktieren, unsere eigenen Aktivitäten stehen weiterhin im Vordergrund: der Tag der politischen Gefangenen am 18. März, an dem wir in diesem Jahr eine starke Kundgebung für die Freilassung des katalanischen Musikers Pablo Hasél durchgeführt haben, die Jugenddemo in Pankow am 1. Mai, die Aktivitäten um den 8. Mai usw.
Zuletzt haben wir gemeinsam mit unseren Bündnispartnern eine dreimonatige Kampagne im Rahmen unserer ständigen Aktion »Niemand ist vergessen« durchgeführt. Unter dem Titel »Frauen im Widerstand« haben wir u. a. mit Genossinnen und Genossen der DKP und der VVN-BdA Frauen aus Pankow gedacht, die von Faschisten aus politischen oder frauenfeindlichen Gründen ermordet wurden.
Und was ist jetzt aktuell geplant?
Nachdem uns Corona lange ausgebremst hat, können wir nun bald wieder unsere Infoveranstaltung, den Antifa-Tresen Nord-Ost, auf dem Hof der »Bunten Kuh« durchführen. Und am 1. wie am 8. September veranstalten wir wieder unser linkes Sommerkino auf der Freilichtbühne Weißensee. Es werden Filme über die Revolutionärin Tamara Bunke und einen Antifaschisten aus Katalonien, der von Nazis ermordet wurde, gezeigt.